“Viele sind sich noch gar nicht bewusst darüber, was Mediation für sie verändern und bewirken kann: Ein Konflikt kann einer der größten Lehrmeister, wenn nicht DER größte Lehrmeister für unser Leben sein.” (Paul Schindler)
Zu dem spannenden Thema Konfliktmanagement, Mediation und den Umgang mit den eigenen Konflikten durfte ich vergangene Woche einen unserer langjährigen Trainer, Paul Schindler, befragen.
Seit seiner Jugend analysiert Paul wiederkehrende Muster in den Verhaltens- und Denkfacetten unterschiedlichster Menschentypen. Als Trainer nutzt er dieses Wissen nun, um seine Teilnehmer:innen dabei zu begleiten, über ihre eigenen Grenzen hinauszuwachsen.
In diesem exklusiven Interview gibt er auch einen privaten Einblick in seine Tätigkeit als Mediator. Er verrät dir, wo Mediation heute noch gebraucht wird und, was die neue Mediationsausbildung der AAZB von anderen Ausbildungen dieser Sorte unterscheidet.
Du erfährst nicht nur, was der Unterschied zwischen Mediation und Konfliktmanagement ist, sondern auch, wie es dir gelingt, besser mit deinen eigenen Konflikten umzugehen und deine zwischenmenschliche Kommunikation liebevoller und wertschätzender zu gestalten.
Dabei betont Paul immer wieder: Die Ausbildung zum/zur Mediator:in ist nicht nur für Personen, die zukünftig in dieser Branche arbeiten wollen:
“Das Wissen um Mediation ist eine enorme Skill, die meiner Meinung nach jede Person auf dieser Welt einmal lernen sollte.”
Inhaltsverzeichnis
Nimm mich einmal kurz mit auf deine Reise: Wie bist du zum Mediator gekommen? Warum hast du dich für diese Ausbildung entschieden?
Anfangs bin ich da mehr reingerutscht. Mediation ist jetzt nicht unbedingt der bekannteste Bereich, nicht jede:r ist vertraut damit. Ich bin ursprünglich aus Oberösterreich, bin dann nach Wien gezogen und habe angefangen, Rechtswissenschaften zu studieren. Nebenher habe ich als Kommunikationstrainer gearbeitet. Ich war fast aktiver als Trainer als im Studium. 😉
Irgendwann habe ich mir die Frage gestellt: He, was mache ich denn jetzt mit Rechtswissenschaften überhaupt, wenn ich mich eher im kommunikativen Bereich sehe?
Da bin ich auf den Bereich der Mediation gestoßen, der auch in der Juristerei sehr vorherrschend ist. Ich habe dann dazu Weiterbildungen besucht, auf der Uni auch Wahlfächer gemacht und an nationalen und internationalen Wettbewerben teilgenommen.
Im Zuge dieser Wettbewerbe habe ich erkannt, dass reguläre Mediationsprozesse sehr prozedural ablaufen und wenig Platz für Flexibilität bieten.
“Durch meine kommunikativen Ausbildungen, vor allem im NLP, habe ich einfach flexiblere Werkzeuge und kann unübliche Interventionen setzen. Das erweitert die Handlungsfähigkeit in der Mediation enorm..”
Deswegen war für mich relativ schnell klar: He, ich möchte da was machen, ich möchte auch was bewirken, was verändern. Und habe somit die Entscheidung getroffen, diese Ausbildung ins Leben zu rufen.
Denn wir sind hier in der Lage, best of both worlds zu kombinieren – oder best of several worlds eigentlich. Weil unsere Ausbildung nicht nur die Grundlagen von NLP, also hier Kommunikation, enthält, sondern auch auf verhaltenstherapeutischen oder gestalttherapeutischen Ansätzen aus der Psychotherapie basiert.
Kannst du auf diese verschiedenen Ansätze in der Ausbildung näher eingehen?
Die Ausbildung zum/zur zert. Mediator:in bei der AAZB ist in drei Semester aufgeteilt. Im ersten Semester beschäftigen wir uns mit den Grundlagen der Kommunikation über das Coaching. Da geht es darum, dass du lernst, einen Konflikt einer Person von außen zu managen, im 1:1 Setting.
Im zweiten Semester liegt der Fokus auf deinem eigenen Konfliktverhalten und den emotionalen Auslösern dahinter. In diesem Semester beschäftigen wir uns mit Konfliktmanagement – Wie manage ich meine eigenen Konflikte von innen heraus?
Erst im dritten Semester widmen wir uns der eigentlichen Mediation: Da geht es dann darum, einen Konflikt von mehreren Personen, an dem man selbst nicht beteiligt ist, von außen zu managen.
Dieser Aufbau unterscheidet diese Ausbildung von anderen, weil wir uns nicht nur mit dem Konfliktlösen an sich beschäftigen, sondern mit der zwischenmenschlichen Kommunikation von Grund auf. Das habe ich vorher gemeint mit den “neuen Chancen” dieser Herangehensweise.
Auch der psychotherapeutische Ansatz wird nicht überall so in die Mediation mit einbezogen. Aber genau diese therapeutischen Tools aus dem Coaching helfen vielleicht in einem Vier-Augen-Gespräch mit einem Medianten, ein bisschen genauer hinzusehen.
Man könnte also folgende Formel aufstellen:
“Mediation = Konfliktmanagement + Coaching + Prozesskontrolle”
Was ist der Unterschied zwischen Mediation und Konfliktmanagement?
Sehr berechtigte Frage, die ich auch relativ häufig gestellt bekomme, weil diese Abgrenzungen nicht unbedingt so klar sind.
Die Abgrenzung, wie wir sie tätigen, ist die folgende: Als Mediator begleitest du einen Konflikt von außen und bist als allparteiliche Person da, um diesen Konflikt zu betreuen und ihn mit den Streitparteien gemeinsam zu lösen.
Im Konfliktmanagement beschäftigen wir uns in der Regel damit, dass wir selbst Teil des Konflikts sind. Sprich: Wir managen den Konflikt nicht von außen, sondern sind selbst Streitpartei und müssen auch mit unserer eigenen Gefühlslage zurechtkommen, wir dürfen Herr oder Frau der Sache werden.
“Man könnte sagen, im Konfliktmanagement sind wir Teil des Konflikts und in der Mediation sind wir außerhalb des Konflikts.”
Welche Fragen bekommst du besonders häufig?
Es sind häufig Fragen betreffend Konflikten des Umfelds der fragenden Person.
Also persönliche Fragen?
Ja, persönlich, aber nicht nur. Persönliche Fragen betreffen das private Leben: Partnerschaften, Familie, Freundschaften und Co.
Aber vor allem auch – und das ist ganz ganz häufig – bekomme ich Fragen aus der Arbeitsperspektive heraus: Also eine herangehende Führungskraft, die innerhalb ihres Teams, innerhalb der Abteilung, Konfliktsituationen hat, oder Mitarbeiter:innen, die zum Beispiel Konflikte mit Kund:innen haben.
Also es beziehen sich sehr viele Fragen auf den Arbeitskontext. Das liegt natürlich auch daran, dass mich dieser Kontext persönlich sehr interessiert und fasziniert und ich mir da viele Gedanken darüber mache. Dann ergeben sich diese Gespräche ganz automatisch.
Würdest du sagen, diese Fragen kommen deswegen häufig, weil es noch nicht viele Mediator:innen für Firmen gibt?
Ja, natürlich.
“Das Thema Konflikte und Mediation betrifft ja jeden.”
Aber nachdem es im Vergleich zu beispielsweise einem Führungskräftetraining oder Speaking-Skills nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt, beschäftigen sich die Menschen ganz ganz wenig damit – was ganz faszinierend ist, weil Mediation uns eben alle betrifft.
Aber die meisten wissen nicht, dass es so etwas wie Mediation überhaupt gibt.
Wo wird Mediation im Moment sehr stark gebraucht? Oder wo ist die Nachfrage gerade sehr groß?
Ich glaube, dass wir Mediation überall brauchen. Mir fällt aber speziell dieser berufliche Bereich auf, weil wir in diesem ja unfassbar viel Zeit unseres Lebens verbringen, rund ein Drittel.
“Und gerade im Beruf, wo wir dann innerhalb eines Unternehmens, eines Konzerns, mit verschiedenen Generationen aufeinandertreffen, kommen immer mehr Konflikte auf.”
Da geht es ganz besonders um Themen wie mentale Resilienz oder Work Life Balance, die gerade extrem vorherrschend sind und zu unterschiedlichen Ansichten und so zu Konflikten führen können.
Klarerweise haben wir auch im Privaten diese Themen, weil wir immer weniger miteinander kommunizieren und dadurch auch ganz klar beobachtbar ist, wie die Tendenz von engen Beziehungen allgemein abnimmt.
Genau aus diesen Gründen wird Mediation heute dringender gebraucht als je zuvor. Aktuell widmen sich gerade mehr Menschen Themen wie psychischer und mentaler Gesundheit. Das hilft auch der Mediation.
Aber Mediation an und für sich ist etwas, was sicher nach wie vor ein extrem unterbewertetes Feld ist. Und wo sich viele, glaube ich, noch nicht bewusst sind, was das für sie auch verändern und bewirken kann in ihrem Leben.
Ich möchte noch einmal spezifisch auf die Ausbildung eingehen:
Welche beruflichen Möglichkeiten habe ich durch die Mediationsausbildung?
Was ich ganz oft beobachtet habe ist, dass sie einfach eine Weiterbildung im Karriereweg für Menschen darstellt, die sich das gerne in den Lebenslauf schreiben. Die Ausbildung verschafft ihren Mitbewerber:innen gegenüber einen Vorteil, weil der Arbeitgeber oder die vorgesetzte Person schwarz auf weiss sieht, dass du Führungskompetenz hast
“– und Führungskompetenz ist zu einem ganz großen Teil Konfliktmanagement.”
Abseits davon kannst du dich in Österreich beim Bundesministerium für Justiz in die Liste der Zivilrechtsmediator:innen eintragen lassen. Dadurch bist du dann auch offiziell als Mediator:in tätig und kannst gewisse Aufträge annehmen, die du ohne diese Eintragung natürlich nicht annehmen kannst.
Du kannst so also wirklich als Mediator:in nach außen wirken und nicht nur das Skillset implizit nutzen. Mehr Infos dazu findest du im Artikel Mediationsausbildung – Aufbau, Start und Berufschancen.
Würdest du mir auch zur Mediationsausbildung raten, wenn ich nicht unmittelbar Mediator:in werden möchte?
Ja, 100%ig.
“Ich bin der Überzeugung, dass man, egal was man lernt, immer enorm viel persönlich daraus mitnimmt, weil das den Horizont einfach erweitert.”
Durch die Mediationsausbildung formen sich deine zwischenmenschlichen Fähigkeiten enorm. Egal, ob du sie für den Karriereweg oder auch im privaten Umfeld einsetzt, du wirst dann mit Freunden, Bekannten anders interagieren oder auch logischerweise in Partnerschaften einen Mehrwert bemerken.
Also, sich darüber Gedanken zu machen: Wie ticke ich, wie ticken andere und wie können wir besser kommunizieren, beziehungsweise wieder besser zu einem Miteinander finden? Das ist natürlich eine enorme Skill.
Zum Abschluss:
Was macht dir besonders Spaß an deiner Tätigkeit als Mediator?
Der Wirkungsgrad, der einfach unvergleichbar ist.
Ich habe mich schon mit vielen Themen auseinandergesetzt, mit NLP, Coaching, Public Speaking, Verhandlungsführung, Verhaltensschemata… kurz gesagt alles, was mit Kommunikation zu tun hat.
“Und ich habe diesen Wirkungsgrad, der herbeigeführt wird, wenn man an seinen Konflikten arbeitet, noch nirgends anders gesehen.”
Weil es eigentlich bedeutet, dass wir uns rund und die Uhr aus der Komfortzone bewegen, wenn wir uns mit Konflikten beschäftigen. Und das ist es: Wenn wir konstant diesen Mut und dieses Durchhaltevermögen aufbringen.
“Denn Mediation ist liebevolle Kritik.”
Deswegen ist dieser liebevolle Disput so wichtig. Weil nur diese Herangehensweise dafür sorgt, dass wir langfristig in Disputen drinnen bleiben können, in der “Growth Zone” sozusagen.
Das ist ein Wachstum, das ich nirgends anders erlebt habe.
Und es ist auch eine enorme Befriedigung, die damit einhergeht. Weil natürlich der Unterschied zwischen “es fühlt sich extrem unangenehm an, ich will das eigentlich gar nicht machen und nur hinter mich bringen” zu “das ist Teil meines Lebens, ich bin cool damit und kann das auch genießen” enorm ist.
Diese emotionalen Hochs und Tiefs machen es dann sehr spannend und sehr attraktiv, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Gibt es noch irgendwas, was dir am Herzen liegt?
Ich sage immer so gerne:
“Nicht Augen zu und durch, sondern Augen auf und durch.”
Vermeide nicht deine Herausforderungen, vermeide nicht den Konflikt, sondern widme dich dem!
Das wird dir 10-fach zurückgedankt werden, durch dein Umfeld, aber auch du selbst wirst es dir danken.
Das ist der maßgebliche Hebel für alles im Leben, meiner Meinung nach. Privat, beruflich, familiär… man wird den Konflikt nicht vermeiden können, man wird den Schmerz nicht vermeiden können.
Wenn man ihn proaktiv angeht, dann kann er einer der größten Lehrmeister, wenn nicht DER größte Lehrmeister für unser Leben sein.
Schöne Abschlussworte. Dankeschön.
Du siehst, dieses Thema brennt in Paul. Wenn das Thema jetzt auch in dir etwas zum Glühen gebracht hat, dann schau dir gerne die Ausbildung zum/zur zert. Mediator:in auf unserer Webseite an und lade dir den Report mit der genauen Übersicht zur Ausbildung herunter.
Alles Liebe und bis dann,
Paul und Jasmin