Die meisten Menschen wissen nicht viel über Gender Mainstreaming – außer, dass es nervt. Frauen und Männer sind doch längst gleichgestellt, der Gender Pay Gap lässt sich mit ein paar logischen Überlegungen ganz einfach wegrationalisieren und das Binnen-I ist einfach nur lästig. Oder? In diesem Artikel lernst du die Bedeutung von Gender Mainstreaming für viele Menschen in deinem Unternehmen.
Ganz so einfach ist es leider nicht. Traditionelle Rollenbilder sind oft tiefer verankert, als wir uns das wünschen würden, und Feminismus wird als Unterdrückungsmaßnahme für Männer wahrgenommen, obwohl er genau das Gegenteil davon sein sollte. Gender Mainstreaming soll nicht belehren und mit erhobenem Zeigefinger drohen, sondern Möglichkeiten und Potenziale vervielfältigen – und damit alle Beteiligten zu fördern.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Gender Mainstreaming eigentlich?
Der Europarat definiert Gender Mainstreaming als „(Re)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine gleichstellungsorientierte Sichtweise in alle politischen Konzepte, auf allen Ebenen und in allen Phasen, durch alle an politischen Entscheidungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen.“
Diese Definition ist leider sehr sperrig formuliert, deshalb fassen wir die Kernaussage kurz zusammen: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts soll unterbunden werden, etwa was die Bezahlung oder das Mitspracherecht in Entscheidungsprozessen betrifft. Klar, viele Menschen bevorzugen niemanden bewusst aufgrund eines Geschlechts, jedoch sitzen verankerte Denkmuster oft tief und beeinflussen uns. Diese Denkmuster will Gender Mainstreaming aufbrechen.
Im Gender Mainstreaming liegt der Fokus aber nicht nur auf Frauen, sondern alle Geschlechter sind Teil der Zielgruppe – ansonsten werden Frauen schnell als „Problemgruppe“ dargestellt, die eine Sonderbehandlung brauchen. Nicht gerade ein Schritt in Richtung Gleichstellung …
Ziele von Gender Mainstreaming in Firmen
Ziele von Gender Mainstreaming im Unternehmen könnten beispielsweise folgende sein:
- Frauen und Männer bekommen dieselbe Entlohnung für gleichwertige Arbeit.
- Bei der Vergabe von Führungspositionen wird auf Kompetenzen und nicht aufs Geschlecht geachtet.
- Aufweichung von traditionellen Geschlechterrollen, um beiden Geschlechtern mehr Entscheidungsgewalt über ihre Lebensgestaltung einzuräumen.
- Geschlechtsspezifische Gewalt (sowohl verbal als auch physisch) wird unterbunden.
- Interessen unterschiedlicher Geschlechter werden nahtlos in strukturelle Möglichkeiten der Firma integriert.
- Etablierung eines Beschäftigungssystems, das die Übernahme von Betreuungsarbeit ohne Nachteile zulässt
- Gleiche Verteilung von Teilzeitarbeit auf Frauen und Männer
- Unterstützung der gleichen Verteilung von Betreuungsarbeit auf Frauen und Männer (mit Unterstützung von öffentlichen Einrichtungen)
Was Gender Mainstreaming NICHT ist
Mit der Verwendung des Binnen-Is ist es noch lange nicht getan. Menschen, die zu uns ins Seminar kommen (und vor allem jene, die von ihren Vorgesetzten dorthin geschickt wurden), empfinden Gender oft als Reizwort und sind am Ende überrascht, wie viel mehr doch dahintersteckt.
Deshalb an dieser Stelle ein kurzer Überblick darüber, was Gender Mainstreaming nicht ist:
- Der Versuch, Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu leugnen und wegzudiskutieren
- Mitleid erhaschen für die armen, unterdrückten Frauen
- Einschränkung und Diskriminierung von Männern
- Stupider Zwang zu gendern
- „Man darf ja wirklich gar nichts mehr.“
Vorteile für Firmen
Ein Gender Mainstreaming Seminar, wie es beispielsweise bei uns angeboten wird, hat neben dem Zertifikat zahlreiche weitere Vorteile für Firmen.
Die Teilnehmenden werden hinsichtlich der Auslöser von Reizthemen und Motiven hinter übergriffigen Aussagen sensibilisiert, lernen, gendergerechte Sprache einfach anzuwenden und unterschiedliche Interessen der Geschlechter in den Firmenkontext zu integrieren.
Richtig durchgeführt, kann Gender Mainstreaming die Möglichkeiten und Potenziale innerhalb der Firma vervielfältigen und zu einem harmonischeren Miteinander führen. Hierbei will man jedoch nicht versuchen, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu leugnen, sondern diese bewusst wahrnehmen und gewinnbringend nutzen – und zwar für alle Beteiligten.
Mögliche Überlegungen für Gender Mainstreaming in Ihrem Unternehmen
Wir haben nun sehr ausführlich darüber gesprochen, was Gender Mainstreaming ist – und was es nicht ist. Nun möchten wir dir ein paar konkrete Überlegungen zu Gender Mainstreaming mitgeben, welche du bei den nächsten Entscheidungsschritten in deinem Betrieb mitnehmen kannst.
Konkrete Fragen, die du dir bei der Planung stellen kannst, sind beispielsweise folgende:
- Wie sieht das Geschlechterverhältnis in meinem Betrieb (oder Fachbereich) aus? Ist es ausgeglichen oder nicht? Wo besteht Verbesserungsbedarf?
- Wie wirken sich eventuell geplante Schritte auf Männer und Frauen aus? Können sich durch neue Maßnahmen und Zielsetzungen Nachteile für ein Geschlecht ergeben?
- Wie kann ich generell zur Förderung der Gleichstellung beitragen?
Frage dabei nicht nur nach Unterschieden, sondern auch nach deren Ursachen! Wenn beispielsweise die Einhaltung eines geplanten Jour Fixes um acht Uhr morgens Frauen deutlich schwerer fällt als Männern, könnte es daran liegen, dass diese noch immer eher damit beauftragt sind, Kinder in die Schule zu bringen – und deine konkrete Maßnahme könnte dann sein, den Jour Fixe zwei Stunden nach hinten zu verschieben.
Das ist jedoch nur ein Beispiel und kann genauso gut umgekehrt angewendet werden – schließlich sind alle Menschen Individuen. Berücksichtige stets beide Perspektiven!
Es geht uns alle etwas an!
Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist gesetzlich vorgeschrieben – was aber nicht heißt, dass sie in jedem Betrieb vollkommen praktiziert und gelebt wird. Leider ist Gender Mainstreaming auch heute noch oftmals ein Reizwort und die vielen Chancen, die es gerade für Firmen birgt, werden nicht gesehen.
Was wir alle nicht vergessen dürfen: Gender Mainstreaming benachteiligt niemanden, sondern soll im Idealfall das Leben aller Beteiligten angenehmer gestalten!